Pressemitteilung:
In Freiburg haben sich im Mai verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen, um die schon länger bestehende Forderung nach einem Lieferkettengesetz auf lokaler Ebene bekannter zu machen, der Forderung durch regionale und gezielte Aktionen mehr Nachdruck zu verleihen sowie weitere Bündnispartner*innen zu gewinnen. Bereits im vergangenen Jahr schloss sich bundesweit ein breites Bündnis aus 64 zivilgesellschaftlichen Organisationen zur „Initiative Lieferkettengesetz“ zusammen. An diesem bundesweiten Bündnis sind auch viele der Freiburger Vereine beteiligt, die nun auch regional enger zum Thema zusammenarbeiten wollen.
Ziel ist, die Bundesregierung aufzufordern, ein Lieferkettengesetz zu verabschieden, das Unternehmen in Deutschland gesetzlich zur weltweiten Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichtet. Die in den letzten Jahren initiierten Maßnahmen, die darauf zielten, die Unternehmen zur freiwilligen Einhaltung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, existenzsichernden Löhnen, Arbeitsschutz und Umweltstandards zu gewinnen, sind alle gescheitert. Deshalb müssen diese Standards über ein Gesetz geregelt werden, das die Unternehmen verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen in ihrem Geschäftsbereich zu vermeiden. Bei Schäden an Menschen und Umwelt könnten Unternehmen dann angemessen haftbar gemacht werden. „Immer wieder gibt es Berichte von brennenden Fabriken, ausbeuterischer Kinderarbeit oder zerstörten Regenwäldern.
Das zeigt: Freiwillig kommen deutsche Unternehmen ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach. Die Bundesregierung muss endlich einen gesetzlichen Rahmen schaffen, damit Unternehmen Ausbeutung und Umweltzerstörung nicht weiter in Kauf nehmen”, sagt Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz. Marion Lieser, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland e.V. betont: „Deutsche Supermarktketten tun im internationalen Vergleich besonders wenig für den Menschenrechtsschutz.
Dabei verkaufen sie Produkte, für die Arbeiterinnen und Arbeiter mit Hungerlöhnen abgespeist und hochgiftigen Pestiziden ausgesetzt werden. Deutlich besser sind die Briten, unter anderem weil es dort ein Gesetz zu moderner Sklaverei gibt. Damit auch die deutschen Supermärkte echte Fortschritte machen, brauchen wir ein Lieferkettengesetz. Denn Leid und Ausbeutung dürfen keine Zutaten in unserem Essen sein“.
Die Corona-Krise verstärkt die bereits katastrophalen Missstände und Ausbeutungsverhältnisse entlang der globalen Lieferketten und führt zu fatalen Folgen für Produzierende. Nicht nur für ihre Gesundheit, sondern auch für ihre Existenz. Transnationale Unternehmen wälzen die Verluste aus der Corona-Krise auf die schwächsten Glieder in den globalen Lieferketten ab – mit dramatischen Folgen für die Beschäftigten im globalen Süden. Das zeigt das aktuelle Briefing der „Initiative Lieferkettengesetz“ am Beispiel des Textilsektors, das am 18.06.20 veröffentlicht wurde.
„Die Krise trifft uns in Deutschland schwer. Doch noch viel härter trifft es Menschen am Anfang der Lieferketten, die keine soziale Absicherung haben. Das zeigt sich zum Beispiel im Umgang zahlreicher deutscher und europäischer Modekonzerne mit ihren Zulieferern in Bangladesch, Pakistan, Kambodscha oder Myanmar: Seit Beginn der Corona-Krise haben die Unternehmen aus dem globalen Norden Bestellungen in Milliardenhöhe storniert und verweigern zum Teil die Zahlung selbst für bereits produzierte Textilien. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass deutsche Unternehmen das auch noch befeuern. Statt auf ‚Moral Distancing‘ zu setzen, muss sie jetzt ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag erfüllen und Unternehmen zu verantwortungsvollem Handeln verpflichten!“, fordert Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz.
Vor diesem Hintergrund will das Freiburger Bündnis vor Ort aktiv werden und alle ermutigen, sich stärker einzubringen und zu handeln. So kann die Petition zur Verabschiedung eines Lieferkettengesetzes noch bis Ende Juli im Internet unter https://lieferkettengesetz.de/#petition unterzeichnet werden. Doch danach ist noch lange nicht Schluss. „Durch die Veränderung des Lebensstils und Konsumverhaltens, durch die Mobilisierung von Familie, Freundeskreis, Bekannten, Arbeitskolleg*innen und Nachbar*innen können gemeinsam Verhältnisse entlang der globalen Lieferketten verändert werden. Die Corona-Krise hat uns nicht nur wie in einem Brennglas gezeigt, wo es in unserer Gesellschaft und in der globalen Zusammenarbeit Missstände und Fehlentwicklungen gibt, sondern auch, dass sich Dinge verändern lassen. Wir müssen dies nur wollen“, so Dagmar Große vom Eine Welt Forum Freiburg. Carolin Bersin vom Weltladen Gerberau ergänzt: „Wir können uns z.B. in Modeunternehmen nach dem Umgang mit Näher*innen erkundigen, engagierte Initiativen in der Region unterstützen, beispielsweise solche, die im Lebensmittelbereich regionale, ökologische und faire Lebensmittel verkaufen und die Produzent*innen sowohl regional als auch global unterstützen. Weniger Fleisch zu konsumieren kann eine weitere Maßnahme sein.“ Um möglichst viele Menschen einzuladen, sich über die notwendigen Veränderungen Gedanken zu machen und gemeinsam nach zukunftsfähigen Wegen zu suchen, wird das Freiburger Bündnis in den kommenden Wochen folgende Aktionen durchführen:
• am Donnerstag, 2. Juli findet eine Online-Veranstaltung zum Thema Lieferketten am Beispiel einer Kupfermine in Antapaccay in Peru statt. Anmeldungen an: info@infostelle-peru.de unter dem Titel „Solidarität in der Corona-Krise – vier Fenster zur Welt“ finden im Weltladen Herdern, Urbanstraße 15, 79104 Freiburg, vier Informationsnachmittage für Interessierte statt. Fairhandels-Importeure aus dem Raum Freiburg geben in einem persönlichen Gespräch Einblicke über die Situation der Menschen unter der aktuellen Covid 19-Krise in verschiedenen Produzent*innen-Organisationen in Nepal, Burkina Faso, Nigeria und Brasilien. Gleichzeitig berichten sie über die Perspektiven, die sich für die Menschen in den Kooperativen auch in der aktuellen Krise durch die kurzen und transparenten Lieferketten des Fairen Handels entwickeln
• am Freitag, 3. Juli berichtet Astrid Heinz von RA Naturstyle zu Nepal
• am Freitag, 10. Juli stehen bei Sarah Hausmann von fairfood Nigeria und Burkina Faso im Mittelpunkt
• und am Dienstag, 14. Juli berichtet Rainer Putz vom Regenwaldladen zu Brasilien
• zudem wird es eine Mal- und Spray-Aktion zum Thema geben, um im öffentlichen Raum auf die Situation in den globalen Lieferketten aufmerksam zu machen
• für die diesjährige Fairen Woche im September ist eine Informationsveranstaltung zum Thema Lieferkettengesetz geplant
• darüber hinaus wird das Bündnis im November die Ausstellung „Terra“ des Fotografen Sebastião Salgado in den Räumen des Haus des Engagements zeigen und einen dazugehörenden Vortrag organisieren.
Die Freiburger Initiative Lieferkettengesetz wird getragen von:
Eine Welt Forum Freiburg e.V., den Freiburger Weltläden Gerberau, Herdern und Littenweiler, Informationsstelle Peru e.V., Süd-Nord-Forum e.V., Color Esperanza e.V., Haus des Engagements, Bonhoeffer-Gruppe der Auferstehungsgemeinde Freiburg Littenweiler, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Ernährungsrat Freiburg & Region e.V., regioWasser e.V., AK Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, Regenwald-Institut e.V., Netzwerk Energie-Hunger – Nein Danke, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, Lernort Kunzenhof e.V., iz3w -Informationszentrum 3. Welt, AMICA e.V., Greenpeace Freiburg, attac Freiburg, Gemeinwohlökonomie Freiburg, Brasilieninitiative Freiburg e.V., AbL Regionalgruppe Freiburg, Freunde der brasilianischen Landlosenbewegung MST, Bioservice Südbaden gGmbH, Nepalaya,
RA Naturstyle, zündstoff. fair organic clothing
Die bundesweite Initiative Lieferkettengesetz wird zentral von folgendem Trägerkreis getragen:
Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Christliche Initiative Romero e.V. (CIR), CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB),
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Forum Fairer Handel e.V., Germanwatch e.V., Greenpeace e.V., INKOTA-Netzwerk e.V., Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Oxfam Deutschland e.V., SÜDWIND e.V., ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Weltladen-Dachverband e.V., Werkstatt Ökonomie e.V.
Die Kampagne wird von weiteren NGOs unterstützt. Diese sind zu finden unter https://lieferkettengesetz.de/#morelogos